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William Shakespeare

TROILUS UND CRESSIDA

Deutsche Textfassung von Olaf Brühl


1603

2003



DER PROLOGUS

Troja ist der Schauplatz. Von den Inseln der Griechen
Sandten, blutkochend und kammgeschwellt,
Die Herren zum Hafen von Athen ihre Flotten:
Befrachtet mit Truppen und Instrumenten
Grausamen Kriegs. Sechzig und neun Träger
Von Herrschaftszeichen zogen aus der Bucht
Her nach Phrygien; um, so gilt ihr Schwur,
Troja zu fällen, wo im Schutz der Mauern
Griechenlands Helena, geraubt einst Menelaus,
Mit dem geilen Paris schläft: und darum geht's!
Zu kämpfen kamen sie,
Und tieflastende Schiffe spieen es aus:
Deren kriegsfeile Fracht. Nun in Trojas Ebnen
Halten, noch unversehrt und frisch, die Griechen
Ihr feines Lager. - Des Priamus
Sechstorige Stadt ist sicher verschlossen. -
Jetzt kitzelt Erwartung fickrige Geister,
Auf der da, wie jener Seite: Troer wie Griechen,
Setzen alles aufs Spiel! Und hierher komm´ ich,
Geharnischter Prolog, doch nicht im Vertrauen
Auf Dichters Text, noch Schauspielton, nein,
Ich folg bewaffnet: gleich unsrem Thema,
Zu sagen euch, geschätzte Leut, dass unser Stück
Den Anfang schwänzt, und auch das Vorgefecht,
Und los geht in der Mitte und ab dann
Zu zeigen alles müht, was es nur kann.
Mögt das oder mögt das nicht - wie es euch liegt:
Ob gut, ob schlecht: das ist wie Glück im Krieg.

Ab


* * *

(...)

Vor der Schlacht

THERSITES
Dass dieser Lump Diomedes mir über den Weg liefe! Ich wollte ihn ankrächzen wie ein Rabe! Ich möchte Unheil verkünden, ich möchte Unheil verkünden. Patroclus wird mir wer weiß was schenken, wenn ich ihm Neuigkeiten von dieser Hure bringe: ein Papagei kann sich nicht entzückter auf eine Mandel stürzen, als der sich auf ein bereit liegendes Flittchen. Geilheit, Geilheit; immer nur Kriege und Geilheit, nichts anderes!* Der Teufel soll sie alle holen!

Kampfalarm. Angriffe

Jetzt dreschen sie aufeinander los, das will ich mir anschaun gehn. Der verlogene, ekelhafte Halunke Diomedes hat die Armschleife dieses pickeligen verknallten dummen Jungen aus Troja an seinem Helm, - ich möchte nicht verpassen, wie sie über sich her fallen, und der junge trojanische Esel, der an der Hure da drüben hängt, den griechischen Hurenschleifenbock abgeschliffen heim sendet zu dieser falschen, geilen Lusche und zwar als entärmelten Boten! - Was kann' s schon bringen, was diese fluchenden Mordgenossen aushecken - ob es der ausgelaugte, alte und von Mäusen zerfressene Magerkäse Nestor ist, oder jener Fuchsrüde Ulysses: sie allesamt sind keinen Pfifferling wert! Da hetzen sie nach ihrer sogenannten Strategie den Bastardköter Ajax gegen den Kojoten derselben Mistrasse, Achill, und nun trägt Köter Ajax den Schweif noch höher als Köter Achill. Der will seine Waffe heute nicht anrühren - woraufhin die Griechen die Barbarei proklamieren und alle Politik gleich außer Kurs gesetzt ist. - Still, hier kommt Schleifchen, und der andere.


* * *

(...)

LETZTE SZENE

AENEAS
Halt! Noch sind wir die Herren des Gefechts.
Keiner geht heim! Hier bleiben wir heut Nacht!

Auftritt TROILUS

TROILUS
Hector ist tot!

ALLE
Hector? - Nicht!

TROILUS
Ist tot. Am Schweif des Pferdes zerrt sein Mörder
Ihn viehisch durch das schamerfüllte Feld. -
Jetzt rast noch mehr, ihr Feinde, tötet schnell,
Mit allen Kräften los, zerstöret Troja!
Sogleich schlagt zu! Ein Blitzgefecht sei Gnade!
Zögert den sichern Untergang nicht hin!

AENEAS
Troilus, du nimmst dem ganzen Heer den Mut.

TROILUS
Wer das entgegnet, der versteht mich nicht;
Ich spreche nicht von Flucht, von Angst und Tod,
Vielmehr: ich fordre alle Wut heraus!
Hector ist tot!
Wer sagt's denn Priamus, wer Hecuba?
Das ist der Satz, der Stein aus ihnen macht.
Und Trojas Verzweiflung! Marschiert nur fort:
Hector ist tot - mehr ist nicht zu sagen.
Wartet. Die widerlichen Ekelzelte,
Gesetzt so arrogant in unser Tal,
Ich will durch sie mich schlagen,
Durch und durch, gleich jetzt!
Und du, Achill, du Riesen-Feigling du:
Kein Raum der Welt soll trennen unser beider Hass!
Ich hetz dich wie ein böses Wissen jagend,
Und schnell, wie Wahnsinn Denken frisst,
Spalt ich dein Haupt, sauf ich dein Hirn!
Spielt flott Musik bis Troja! Mut jetzt, los!
Hoffnung auf Rache schützt den tiefen Schmerz.

Auftritt PANDARUS

PANDARUS
He, na hör´ mal, so hör´ doch nur!

TROILUS
Weg, billiger Lakai: Abscheu und Blamage,
Die sollen dich hören und deine Bagage!

Alle ab außer PANDARUS

PANDARUS
Wunderbare Medizin auf meine alten Knochen! O Welt, Welt! So wird der arme Mittler verachtet. Ja, ihr Verräter und Zuhälter, wie eifrig werdet ihr erst gebucht, hinterher aber wie schlecht gelöhnt! Wie kommt das wohl, dass unsre Hilfe zunächst so gern gesehen wird und nach erfolgreicher Lieferung, ja, da guckt man hasserfüllt weg?! Was darauf der Reim ist? Ein Beispiel? Mal sehn.

Lustig brummt so' n Hummel-Mann
Bis der Honig fließen kann.
Floß der Honig, stach das Glied,
Ist vorbei sein süßes Lied.

He, Klatschmäuler, Türsteher, Luden, nicht wahr, so läuft' s doch in der Branche. Ihr lieben Verkäufer - und ihr lieben Verkäuflichen, die ihr euch zum Markte drängelt, schreibt euch das hinter eure 1A-Ohren! - Und wenn überhaupt noch jemand von euch fähig ist, über irgend etwas zu weinen, so weint über meine armen Knochen. Mein Testament ist schon gemacht. Jetzt gehe ich meine allerletzten Tage genießen...

Ich schwitze mich gesund und such die Bäder:
Ihr kommt mit Huren unter die Räder.


Ab



*




*) »nothing but lechery!«





Sonett 66


Alle Rechte vorbehalten
Olaf Brühl 8/2003

Der komplette Text
leo(at)olafbruehl.de


olaf brühl


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