FINIS MUNDI :

FRANKENSTEINS GENE

+ + + Eine globaldramatische Farce - von Olaf Brühl + + +



7 Dialoge + 1 Witz aus dem Stücktext © olaf brühl, 3/2002 :





Mond
ELLY BETTY (Dr. Frank. N. Steins Braut) und VICTOR (sein Hund). Reto.
ELLY-BETTY krault VICTORS Schwanz.
Beide nippen ab und zu an einer Schale Sekt.

VICTOR

Siehst du den Mond über der Stadt?

ELLY-BETTY

Ich sehe den Mond über der Stadt, Victor.

VICTOR

Die Stadt pulsiert.
Die Stadt strahlt.
Sie liegt da und arbeitet.
Eine Menschenmaschine, voller Geheimnisse.
Sie funktioniert wie geölt.
Schicksal greift in Schicksal
zwischen Leben und Tod.

ELLY-BETTY

All das Begehren dort,
gepeitscht von Illusionen und Pflichten,
gepeitscht von Ängsten und Liebe.
Es hält die Menschen in Trab,
treibt sie auch noch im Schlaf.
Fühlst du den Schlaf der Stadt, mein Victor?

VICTOR

Ich fühle den Schlaf der Stadt, Elly-Betty.
Es ist, als läge die Stadt in einem üblen Traum,
aus dem sie nicht zu erwachen vermag.
Es ist, als möchte sie sich zum Strand schleppen,
um sich in der Gischt des Meeres diesen Traum aus den Augen zu waschen.
Aber die Stadt ist zu schwer.
Die Stadt kann sich nicht wehren,
Elly-Betty, meine Liebe.
Sie ist wund.

Stille

ELLY-BETTY

Der Mond kann sie nicht mehr trösten.

VICTOR

Nein, Elly-Betty, das kann der Mond nicht mehr.
Der Mond wurde betreten.
Dort auf dem Mond weht eine Flagge.
Dort auf dem Mond liegt unser Müll.
Der Mann im Mond ist längst nur noch ein verdammt kranker Bürger.

Wischt verschämt eine Träne mit der Vorderpfote weg

Dort auf dem Mond ist alles wie hier.
Und der Kosmos schweigt.

Küssen sich
Lehnen aneinander

ELLY-BETTY

Wir müssen etwas unternehmen.
Wir müssen handeln.
Es muss etwas geschehen.
Das alles geht so nicht weiter.


DIE DURCHSCHNITTSFAMILIE
(in der Mitte durchgeschnitten)
-vor dem TV beim Abendbrot-
(alle drei synchron):

Wir sind die Familie Wilde. Wir sind allerdings keine wilde Familie. Alles hat bei uns seine Ordnung. Ich bin der Vater, das ist die Mutter, also ist das meine Frau, und das ist unser erstes Kind. Und das ist unser Fernseher. Wir sitzen beim Abendbrot und sehen fern. Das hier ist meine Fernbedienung. Wir sehen am liebsten die populärwissenschaftliche Unterhaltungsshow. Da gibt's immer was Neues. Still, kleiner Störenfried! Da sind wir mittendrin. Da sind wir auf dem Laufenden. Da können wir mitreden. Und mitbestimmen. Still, kleiner Störenfried! Ich habe drei Mäuler zu stopfen. Wir sind wie jede andere normale Familie eine ganz normale Familie wie jede andere. Das ist unser Telefon.

Schaltet den Fernseher ein, Familie erstarrt


(Szene ausgelassen:)

MR. PRESIDENT
Knabbert Brezeln. Telefoniert

... Ach, Treibhauseffekt hin und her, wir schwitzen genauso wie die Säue. Ich lehne jede offizielle Mitverantwortung ab. Wir reduzieren hier gar nix. Wir expandieren. Schluss.

MRS. CASHMAN (Seine Sekretärin)

Die Hitze wird größer. Ich wische ihnen den Schweiß von der Stirn.

MR. CASHCROFT rollt herein, eine grüne Bombe auf seinem Schoß und präsentiert sie wortlos MR. PRESIDENT zum Abzeichnen, MR. PRESIDENT bietet ihm sein Whisky-Glas an, doch der armlose MR. CASHCROFT schüttelt ablehnend seinen Kopf.

MR. PRESIDENT

Also, mein lieber Dr. Crash - äh - Cashcroft, was sind denn das nun für Bomben, die ich hier dauernd genehmige?

DR. CASHCROFT

Och, das sind so unendlich gerechte Bomben, die nur böse Feinde treffen. Nur solche Feinde, denen unser Parlament die grünfarbigen Getötetwerdenberechtigungsscheine ausstellt.

MR. PRESIDENT

Und die anderen?

Knabbert Brezeln

DR. CASHCROFT

Och die? Ja, die sind auch so unendlich gerechte Bomben, die nur auf gute Menschen Schokolade mit Crackern und Plastikbestecke mit Wundpflastern regnen lassen. Das sind aber bloß ein paar.

MR. PRESIDENT

Das ist ja jetzt doll, Dr. Crash-, äh, Cashcroft. Das ist ja directement imponierend zivilisiert.

Streichelt die grüne Bombe

DR. CASHCROFT

Ja, unsere Bomben sind zivilisierte, hilfsbereite und hochintelligente Kulturbomben. Die riechen genau, was ein Untermensch ist und was ein Touristen- äh -Terroristenfreund.

MR. PRESIDENT
Legt Bombe zurück in Dr. Cashcrofts Schoß. Knabbert Brezeln, verschluckt sich und kriegt einen veritablen Erstickungsanfall, Mrs. Cashman kommt ihm zu Hilfe, da er schon bewusstlos unter den Tisch rutscht und mit dem Kinn hart auf dessen Kante knallt, sodass die Brezelstücken noch tiefer in die Luftröhre rutschen können; Dr. Cashcroft sieht aus seinem Rollstuhl hilflos zu.


DIE DURCHSCHNITTSFAMILIE
(in der Mitte durchgeschnitten)
-vor dem TV beim Abendbrot-
(alle drei synchron):

Keine Fäkalsprache bitte. Wir sind die Durchschnittsfamilie und hören gebannt dem Fernsehprogramm zu. Es ist sehr interessant! Wir sind sehr betroffen! Wir sind sehr neugierig! Still, kleiner Störenfried! Wir bilden uns gerade eine eigene Meinung! Wir machen es dir vor und wir machen das uns vor und du machst uns dann später einmal alles das nach, was wir uns vormachen. Wir sind sehr glücklich. Wir sind sehr glücklich. Wir sind sehr glücklich.


(Szene ausgelassen:)

DR. CASHCROFT
Sitzt, eine grüne Bombe im Schoß, mit starr aufgerissenen Augen und Mund vor Mr. President im Rollstuhl und versucht einen Laut von sich zu geben ...

MR. PRESIDENT
Versucht, keine Brezeln zu essen

Also was ist denn nu wieder ins Wasser gefallen?

MRS. CASHMAN

Die Hitze wird größer. Ich wische ihnen den Schweiß von der Stirn.

DR. CASHCROFT

Hhhhhhhhhh .... Nei-jen, nicht ins Wasser. Unsere unendlich gerechten Bomben, die nur böse Feinde treffen, haben diesmal auch gute Unschuldige getroffen. Solche, denen unser Parlament gar keine grünfarbigen Getötetwerdenberechtigungsscheine ausgestellt hat.

MRS. CASHMAN

Das ist aber jetzt peinlich.

MR. PRESIDENT
Kriegt kaum Luft

Rrrrrrrr - das da diese vollen Volltrottel. Diese unterentwickelten Untermenschen da. Können die nicht besser aufpassen und dahin rennen, wo unsere hilfsbereiten Kulturtrostbomben herunterfallen?

DR. CASHCROFT

Das haben die ja auch versucht, mein Herr Mr. President. Aber die haben sie auf den Kopf gekriegt und jetzt sind die auch alle tot. Nur die Touristen- äh Terroristenfreunde konnten sich retten.

MRS. CASHMAN

Das ist aber jetzt wirklich ziemlich peinlich.

MR. PRESIDENT

Äächhäh... Das ist ja... das ist ja... Dr. Crash-, äh, Cashcroft, sie müssen unsere Kultur verteidigen. Los, verteidigen sie jetzt sofort unsere Kultur. Mit allen brutalst-möglichen Mitteln. Auf der Stelle. Mit aller uneingeschränkten Solidarität, die sich nur irgendwo herausfordern lässt. Los jetzt.

Er knabbert eine Brezel und kriegt einen veritablen Erstickungsanfall, bei dem ihm wieder das Kinn auf die Tischkante schlägt und Mrs. Cashman im letzten Moment zu Hilfe kommt; Dr. Cashcroft sieht hilflos aus seinem Rollstuhl zu.


Labor
Im Hintergrund ELLY-BETTY,
halb in eine Maschine umgewandelt,
Drähte, Leitungen und Schläuche verbinden sie mit Franks Super-PC

FRANK

Nanotechnologien, Igor, Nanotechnologien. Wir senden jetzt die mikroelektronisch ausgestatteten Viren per Injektion in Elly-Bettys Hirn und empfangen so über Sender und Impulse exakte Informationen direkt aus ihrem Inneren. Das Programm ist bereits gestartet. Die ersten Ergebnisse werden gespeichert. Mit diesen Daten wird die Konstruktion künstlicher Intelligenz vollendet. Zunächst und vor allem aber das Projekt der optimalen Optimierung meines künstlichen Supermenschen: unser Klon. Er wird sein, wie wir sein wollen, Igor. Der Triumph unseres Willens.

IGOR

Ich habe von dergleichen in Hollywood geträumt, manchmal, wenn ich über meinen Comics eingeschlafen bin.


GOTT
Weint, dieses Multiversums inne, und singt

THE TEARS OF GOD SONG

Deinen Turm hab´ ich zerschmettert,
Der du die Himmel stürmen wolltest,
Nicht achtend die Gesetze des Mondes.

Sie haben Augen / Und sehen nicht!
Sie haben Münder / Und schreien nicht!

Deine Völker hab´ ich zerstreuet,
Die nicht eingedenk waren ihrer Gebete,
Und deinem Mammon eiferig folgten.

Sie haben Ohren / Und hören nicht!
Sie haben Arme / Und schlagen nicht!

Dich hab´ ich gewogen und als zu leicht befunden,
Da du am fettesten warest und geil,
Deine Tage gezählt und ins Dunkel geworfen.

Sie haben Sinne / Und fühlen nicht!
Sie haben Hirne / Und fassen nicht!

Mit deinem Blut hab´ ich den Zorn geschrieben
An die schroffen Wände der Geschichte,
Jahrtausend um Jahrtausend.

Sie aber haben's nicht gelesen
Und rasen in blinder Wut hinab.


Alle Rechte vorbehalten
OLAF BRÜHL 3/2002
leo@olafbruehl.de


olaf brühl


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Kennst du den? Kreuzen nach einigen Milliarden Jahren zwei Planeten ihre Bahnen, schreien sich zu: "Na, wie geht's?" - Schreit der eine im Vorbeirasen: "Schlecht, habe Homo sapiens!" - Schreit der andre, im Zurückgucken: "Ach, das gibt sich!"